Reichsverfassung der Frankfurter Nationalversammlung

Reichsverfassung der Frankfurter Nationalversammlung
Reichsverfassung der Frankfurter Nationalversammlung
 
Am 28. März 1849 war von der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche die Reichsverfassung verabschiedet worden. Sie war ein Kompromiss zwischen den Vorstellungen der monarchisch-konservativen und denen der liberal-demokratischen Abgeordneten. Die zuvor verkündeten »Grundrechte des deutschen Volkes« (27. Dezember 1848) wurden als Bestandteil in die Reichsverfassung aufgenommen.
 
Mit den Grundrechten waren erstmalig in der deutschen Geschichte die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers formuliert und in der Verfassung verankert worden, wie sie bereits in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und in der Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution von 1789 ausgesprochen worden waren: Freiheit der Person, Freiheit der Meinungsäußerung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz, Freizügigkeit innerhalb des Reichsgebietes, Berufsfreiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums; die Todesstrafe wurde weitgehend abgeschafft, ebenso abgeschafft wurden alle Standesvorrechte.
 
Die langwierigen Beratungen der Nationalversammlung drehten sich vor allem um die Frage der äußeren Gestalt und der Staatsform des neuen Reiches. Beide Verfassungsprobleme hingen voneinander ab. Die Frage großdeutsch oder kleindeutsch?, bei der es im Wesentlichen um die Einbeziehung Österreichs in das neue Reich ging, wurde schließlich im Sinne der kleindeutschen Lösung entschieden. In der Frage der Staatsform stritten sich die Anhänger des konservativen, monarchistischen Flügels, die ein Erbkaisertum als oberste Spitze des Reiches wollten, mit den demokratischen und radikalen Abgeordneten, denen eine Volksregierung, eine demokratische Republik vorschwebte. Hier setzen sich die Konservativen mit Unterstützung der Mehrheit der liberalen Abgeordneten durch.
 
Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung sollte nun die Regierungsgewalt, die Exekutive, bei dem »Kaiser der Deutschen« liegen, zu dem - in der kleindeutschen Lösung - der preußische König Friedrich Wilhelm IV. gewählt wurde, und bei den von ihm ernannten verantwortlichen Ministern. Die Legislative sollte der Reichstag bilden, der aus zwei Kammern bestand: dem Volkshaus aus den nach dem allgemeinen und gleichen Männerwahlrecht gewählten Abgeordneten und dem Staatenhaus, das je zur Hälfte von den Regierungen und den Landtagen der Einzelstaaten beschickt werden sollte.
 
28 Einzelstaaten erkannten die Reichsverfassung an, aber die Ablehnung der Kaiserkrone durch den preußischen König ließ das gesamte Verfassungswerk scheitern. Der erste Versuch, ein neues geeintes Deutschland zu schaffen und in diesem Staatswesen auch die Rechte des Volkes fest zu verankern, war misslungen. Die Arbeit der Paulskirchenparlamentarier war dennoch nicht vergebens. Die liberalen und demokratischen Freiheitsbewegungen waren nicht mehr auszulöschen. Alle Bundesstaaten, auch Österreich und Preußen, sahen sich veranlasst, nun Verfassungen zu erlassen, wenngleich diese ohne Mitwirkung des Volkes zustande kamen. Die Grundrechte der Paulskirchenverfassung sind zum großen Teil in die Weimarer Verfassung 1919 aufgenommen worden.

Universal-Lexikon. 2012.

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